Prävention im Jugendarrest

Mit der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Schwerte und dem Justizvollzugskrankenhaus (JVK) in Fröndenberg sind im Kreis Unna zwei Justizvollzugseinrichtungen beheimatet, die einer großen Öffentlichkeit vom „Hören-Sagen“ bekannt sind. Eine dritte Einrichtung macht weit weniger von sich reden: Ganz unscheinbar befindet sich in Lünen gleich neben dem Amtsgericht seit vielen Jahren eine von sechs Jugendarrestanstalten des Landes NRW.
Dort sitzen jugendliche Straftäter ein, die eine Arreststrafe von maximal vier Wochen verbüßen müssen. Rund 250 Plätze gibt es im Land, davon 43 in Lünen. Den Vollzug im Jugendarrest regelt seit 2013 ein eigenes Jugendarrestvollzugsgesetz, das vor allem die erzieherische Zielsetzung dieser Maßnahme betont. Die Jugendlichen sollen befähigt werden, künftig eigenverantwortlich und ohne weitere Straftaten zu leben. Schwierigkeiten, die zum gesetzeswidrigen Verhalten geführt haben, sollen überwunden werden. Das neue Gesetz verpflichtet deshalb die Anstalten zur individuellen Erziehungsplanung für die Arrestanten – so nennt man die jungen Straftäter im Fachjargon. Mit Inkrafttreten des Gesetzes im letzten Jahr ist auch das Personal der Einrichtung erhöht worden. Der Sozialdienst wurde auf zwei Sozialarbeiterstellen aufgestockt, der Vollzugsdienst um zwei Stellen auf insgesamt 19 MitarbeiterInnen erweitert. Ein weiterer Sozialarbeiter, der bei einem freien Träger beschäftigt ist, kümmert sich mit einer halben Stelle um das Übergangsmanagement, damit auch nach dem Arrest eine Nachbetreuung für die delinquenten Jugendlichen erfolgen kann. Jugendhilfemaßnahmen werden so besser vernetzt und optimiert. Ausdrücklich sieht das Gesetz vor, dass für die Umsetzung der pädagogischen Ziele auch das Know-How externer Beratungseinrichtungen eingeholt werden kann. Das hat nicht nur der AIDS-Hilfe im Kreis Unna die Tür zur Jugendarrestanstalt geöffnet, sondern auch der Drogenberatungsstelle oder der Schuldnerberatung. In Kooperation mit weiteren Trägern finden Bildungsangebote zum sozialen Lernen, Anti-Gewalt-Trainings oder spezieller Förderunterricht statt. Von „Kuschelpädagogik“ ist man in den Jugendarrestanstalten weit entfernt. Vielmehr wird den Jugendlichen vor Augen geführt, was sie in Zukunft erwartet, wenn sie weiterhin mit dem Gesetz in Konflikt geraten.
Das trostlose Gebäude mit den kleinen Einzelzellen bietet keine heimelige Atmosphäre, und der Alltag ist straff organisiert. Nach dem Wecken um 6:30 Uhr und dem Frühstück gibt es eine Stunde Freigang im Hof der Arrestanstalt, der von meterhohen Mauern umgeben ist. Bis zum Mittagessen um 13:00 Uhr sitzen die Arrestanten allein in ihrer Zelle. Danach folgt eine weitere Stunde Freigang im Hof. Wer sich gut benimmt, kann anschließend beim Umschluss mit anderen Arrestanten gemeinsame Zeit in einer Zelle verbringen. Darüber entscheidet ein Belohnungssystem aus Punkten, die man durch gutes Betragen sammelt. Wer sich daneben benimmt, verbringt auch den Nachmittag allein in der Zelle. Das Punktesystem gewährt weitere Vergünstigungen, etwa das einstündige Fernsehen am Abend oder andere Freizeitaktivitäten. Abendessen gibt es um 18:30 Uhr, etwa zwei Stunden später gehen in der Anstalt sämtliche Lichter aus. Geduscht wird zweimal pro Woche. Dafür hat man jeweils 20 Minuten in der Gemeinschaftsdusche mit fünf Plätzen. Persönliche Dinge sind im Arrest nicht erlaubt: kein Smartphone, kein mp3, kein Internet, kein Radio – nichts! Nur Bücher dürfen mitgebracht oder ausgeliehen werden. Da wird eine Tageszeitung zur spannenden Lektüre! Bei Strafantritt werden alle Arrestanten „gefilzt“. Wer wegen Betäubungsmitteldelikten einfährt, muss zusätzlich mit einer körperlichen Durchsuchung rechnen. Das ist die juristische Bezeichnung für eine ziemlich komplette Leibesvisitation inklusive vollständiger Entkleidung. Der Arrest ist für die Jugendlichen kein Zuckerschlecken. Alles, was Abwechslung in den Alltag bringt, ist deshalb begehrt. So wird ein Arbeitseinsatz in den öffentlichen Grünanlagen zur beliebten Aktivität, um der Tristesse der Anstalt für ein paar Stunden zu entkommen. Viele Arrestanten erfüllen so ihre Sozialstunden, deren Nichtableistung sie zuvor in den Arrest gebracht hat. Überhaupt bilden Verstöße gegen richterliche Auflagen einen der Hauptgründe für den Strafarrest, etwa keine Drogenberatung aufgesucht oder fortgesetzt die Schule geschwänzt zu haben. Viele Arrestanten sitzen wegen wiederholten Schwarzfahrens ein, aber auch wegen Diebstahls, Körperverletzung oder Betäubungsmitteldelikten.
Aidshilfen fühlen sich traditionell der Gesundheitsförderung in Haft verpflichtet. Neben dem Engagement für positive und/oder drogenabhängige Häftlinge in den Justizvollzugsanstalten, bieten die sexualpädagogischen Präventionsveranstaltungen in der Jugendarrestanstalt eine sinnvolle Maßnahme, um diesem Anspruch gerecht zu werden. Die Jugendlichen erhalten damit ein sinnvolles Angebot sexueller Bildung, das über HIV und andere sexuell übertragbare Infektionen aufklärt oder über Schwangerschaftsverhütung informiert. Nicht selten sind die Arrestanten im Teenageralter bereits Vater. Themen der „Männergesundheit“ komplettieren das Angebot, um durch Wissensvermittlung das Bewusstsein für die eigene Gesundheit zu sensibilisieren und Zugänge zum Gesundheitssystem aufzuzeigen. Für sozial benachteiligte Jugendliche kann damit ein wichtiger Beitrag geleistet werden, um von gesundheitspräventiven Maßnahmen zu profitieren. Mit zwei Präventionsveranstaltungen pro Monat ist die Aidshilfe regelmäßig in der Jugendarrestanstalt zu Gast.
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